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+++ NEWS +++ AKTUELLES +++ Arbeit auf Abruf: 20 Wochenstunden gelten als vereinbart +++ 28.11.23 +++

Arbeit auf Abruf: 20 Wochenstunden geltend als vereinbart! Das gilt jedenfalls dann, wenn keine andere arbeitsvertragliche Regelung getroffen ist. Genau diese Wochenstundenzahl legt das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) in seinem § 12 Abs. 1 Satz 3 fest. Hiervon kann abgewichen werden - allerdings nur dann, wenn die gesetzliche Regelung im konkreten Einzelfall nicht sachgerecht ist und objektive Anhaltspunkte aufzeigen, dass eine andere Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit bei Vertragsschluss gewollt war.

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Arbeitsunfähigkeit per Ferndiagnose

Darf ein Arzt eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellen, wenn er nicht zuvor mit der notwendigen Sorgfalt seinen Patienten persönlich körperlich untersucht hat und nach bestem Wissen von einer Arbeitsunfähigkeit überzeugt ist? Jedenfalls darf ein Unternehmen hiermit nicht werben, da eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, die auf einer Diagnose per WhatsApp beruht, einer solchen ärztlichen Sorgfalt widerspricht.

Dies erscheint auf den ersten Blick plausibel. Dennoch hat ein findiges Start-Up-Unternehmen im Landgerichtsbezirk Hamburg damit geworben, dass es gegen Zahlung in Höhe von € 9,00 und bei Übersendung der Symptome ohne persönlichen Kontakt eine gültige Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellt. Es begrenzte diesen Service auf Erkältungen, die nach ihrer Werbung ungefährlich, gut erforscht und gut per Eigen-Anamnese zu diagnostizieren sei.

Das Landgericht Hamburg stellte in seinem Urteil vom 03.09.2019 fest, dass eine Werbung mit einer solchen Ferndiagnose unlauter sei, so dass das Start-Up-Unternehmen verurteilt wurde, eine solche Werbung zu unterlassen. Zugleich stellte das Landgericht Hamburg fest, dass eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht auf einer Ferndiagnose beruhen dürfe, da unter anderem hierüber nicht die Identität des Erkrankten mit Sicherheit festgestellt werden kann. Auch der Einwand des Start-Up-Unternehmens, dass gerade bei Erkältungen die Qualität der ärztlichen Leistungen auch bei einer persönlichen Diagnose oft nur minderwertig sei und eine entsprechende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu schnell ausgestellt werde, ließ das Landgericht nicht gelten.

Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist ein ärztliches Gutachten, welches nur nach Durchführung der entsprechenden persönlichen Untersuchung ausgestellt werden darf. Die AU-Bescheinigung ist Basis für die Entgeltfortzahlung und hat damit eine wichtige Außenwirkung. Auch bei Rücksprache über Telefon oder Video Chat lässt sich nach den Ausführungen des Landgerichts Hamburg weder zuverlässig die Personenidentität feststellen noch der Gesundheitszustand einschätzen. Sofern andere Ärzte möglicherweise eine solche Sorgfalt nicht ausüben würden, ändert dies nichts daran, dass individuelle Fehlleistungen jedenfalls nicht zu einem neuen Standard erhoben werden können und damit geworben werden darf.Zudem kann nur eine körperliche Untersuchung zu der Feststellung führen, dass gegebenenfalls nicht nur eine Erkältung, sondern eine tiefergehende Erkrankung vorliegt.

Noch ist nicht entschieden, ob eine solche AU-Bescheinigung per Ferndiagnose arbeitsrechtlich tatsächlich einen Entgeltfortzahlungsanspruch auslöst. Hiergegen könnte sprechen, dass keine Überprüfung dahingehend stattfindet, ob die Erkrankung eine Arbeitsunfähigkeit bezüglich des konkreten Arbeitsplatzes auslöst.

Schließlich kann die Diagnose über WhatsApp auch noch gegen die Datenschutzgrundverordnung verstoßen, da hier sensible Gesundheitsdaten über ein datenschutzrechtlich unsicheres Medium abgerufen werden. Auch dieser Aspekt ist noch unentschieden. Bisher ist nur klar, dass eine Werbung jedenfalls nicht erfolgen darf, da hierdurch eine fortgesetzte Verletzung der ärztlichen Sorgfalt bewirkt wird.

Urteil des Landesgerichts Hamburg vom 03.09.2019, 406 HK O 56/19

 

©Kirsten Weigmann